Briefwechsel mit einer Trans*katzenstraßendiva

Von Kim Ley

22.07.2018


Liebes Trans*katzen-Hundetier,

ich hebe dich auf mein Bett. Eigentlich magst du es, mit mir auf meinem Bett zu liegen. Du liebst es, dich an mich zu kuscheln. Körperkontakt ist das Wichtigste für dich. Wie lange musstest du in meinem Bett schlafen, da du meintest, die Nacht nicht alleine überstehen zu können? Lautstark machtest du darauf aufmerksam, dass ich dich nicht alleine lassen könne. Waren es vier, fünf oder sogar sechs Monate? Heute ist alles anders, anders als es damals war. Auch ich selbst steige auf das Bett und schon rennst du panisch auf die Seite. Du machst dich ganz klein, so klein es geht und ziehst den Schwanz ein, legst die Ohren an, krümmst dich zusammen. Du versuchst zu entschwinden, so als wärst du gar nicht da, würdest nicht existieren. Aber du existierst. Du kannst dich nicht in Luft auflösen.

Ich kann dich gut verstehen. Wie oft will ich genau das. Ich kann meinen Schwanz nicht anziehen und auch meine Ohren lassen sich nicht anlegen. Ich habe zudem gelernt, dass es sinnvoll ist, das Gegenteil dessen zu machen, sprich: Raum einnehmen, mich zeigen, Spaß haben – oder zumindest suggerieren diesen zu haben – Stärke zeigen und insbesondere das: Niemals verstecken!

Als ich dich kennenlernte, warst du laut, du warst quietschfidel, du bist durch die Gegend gerannt, hast alles und alle angesprungen und warst immer witzig. Ein süßer kleiner Hund, der einfach nicht zur Ruhe kam. Um dich auch nur eine Minute still zu bekommen, musste ich dich fest in meine Arme nehmen, so fest, dass du dich nicht mehr rühren konntest. Einwickeln, fixieren. Wie mit Babys zur Beruhigung, wie mit Erwachsenen. Ein tiefes Seufzen deinerseits folgte und du entspanntest dich. Alle Muskeln lösten sich und du schliefst ein.

Nun aber bist du anders. Bin ich anders. Sind wir anders. Auf der Arbeit haben sie mich gefragt, welche Drogen ich dir gegeben habe. Die lustige Micky Mouse, die du mal warst, bist du nicht mehr. Du siehst zwar noch genauso aus: viel zu große Ohren für deinen kleinen Körper, deine kleine Nase und dazu die riesigen Kulleraugen, aber dein Charakter ist nicht mehr derselbe. Sie kennen dich noch als den kleinen lebendigen Hund, der du mal warst. Niemals ohne mich, immer hinter mir her, immer präsent. Sobald ich dich verließ, gab es Protest. Du warst laut und klar in allem, was du wolltest oder eben nicht wolltest. Nun tust du, als wärst du nicht da, außer ich sage dir, dass du da sein darfst, dass du eine Berechtigung hast, weil ich die Zeit und die Nerven habe, mich um dich zu kümmern. Die habe ich nicht oft. Meistens kann ich es, dich, alles, nicht leiden. Am wenigstens mich selbst, aber mich kann ich nicht verbannen.

Oft wünschte ich, du wärst wieder, wie du mal warst. Auf der Arbeit, auf der Straße und im Lokal wird mit Bewunderung erklärt, dass sie selten einen so gut erzogenen kleinen Hund erlebt hätten. Auch mein Freundeskreis ist beeindruckt. Du machst nicht mehr viel falsch. Du traust dich nicht. Ich habe dich nicht geschlagen, nicht mit den Händen. Ich habe dich auch nicht getreten, nicht mit den Füßen. Ich habe dir keine Gewalt angetan, keine körperliche. Und doch beschleicht mich oft das Gefühl, dass ich dir etwas angetan habe; etwas, das viel schlimmer ist als körperliche Gewalt; etwas, das dich geprägt hat und zwar so sehr, dass du nicht mehr der kleine glückliche Hund von damals bist, der unerschütterliche, der macht, was er will, der kleine Wildfang.

Du bist von der Straße und die Menschen denken, Straßenhunde hätten ein hartes Leben. Bei Menschen sei es besser, bei mir sei es besser. Ist es besser? Ich weiß es nicht.

Wenn Menschen da sind, bin ich nett zu dir. Ich liebkose dich. Ich streichle dich, du darfst dich an mich kuscheln. Du darfst all das, und ich kann es sogar genießen. Zugleich komme ich mir verlogen vor. Wenn wir alleine sind, will ich dich genauso behandeln, aber ich kann es nicht. Auch dann streichle ich dich. Mindestens dreimal über den Kopf. Wenn du umfällst, um mir deinen Bauch zu präsentieren, auch noch zweimal am Bauch. Das tut mensch so. Menschen lieben und streicheln ihre Hunde. Streicheleinheiten machen Hunden und Menschen ein gutes Gefühl. So steht es geschrieben. Aber es stimmt nicht. Es ist eine Pflichthandlung. Ich möchte, dass es sich gut anfühlt, für dich und für mich. Manchmal stellt sich ein positives Gefühl ein, wenn ich dich streichle. Dann bin ich froh. Aber es ist selten. Gerade ist es selten.

Zum Glück hast du Sitter_innen, die dich lieben. Sie freuen sich auf dich, so wie es sich gehört. Sie freuen sich sogar über die gehörigen Maße hinaus. Sie schreiben dir Liebesbriefe; Mir schreiben sie, wann du sie wieder besuchen kommst. Häufig frage ich mich dann, ob ich dich nicht viel öfter zu ihnen bringen sollte, nicht nur dann, wenn es keine Alternative gibt. Mein Wunsch ist es, dass du geliebt wirst und es dir gut geht. Dir ein sicheres Zuhause geben, in dem du umsorgt wirst, können deine Sitter_innen mit Sicherheit viel besser als ich. Manchmal allerdings beschleichen mich Zweifel. Sind deine Sitter_innen wirklich so nett zu dir, wie sie es sind, wenn ich dabei bin? Oder ist auch das nur wieder eine dieser Mythen, über die nicht geredet wird? Weil es so sein sollte. Weil Menschen schutzbedürftige Lebewesen lieben und zu ihnen gut sein sollten.

Unabhängig davon aber, ob sie dich lieben oder nicht und potentiell viel besser für dich sorgen könnten, kann ich dich nicht zu oft abgeben. Ich brauche dich und ich will dich um mich haben. Sobald du nicht bei mir bist, vermisse ich dich.

Dann aber, bist du da, guckst mich an und legst die Ohren an. Unsicher, was als Nächstes passieren wird. Fängst an zu zittern. Ein fragender Blick: ‚Bis du gerade nett, oder wirst du mich gleich wieder anschreien?‘ lese ich darin. Ganz plötzlich kann es sein, dass du mal wieder zu langsam warst, mir zu viel trödelst. Dein Schnuppern kann mich in Rage bringen. Dabei bin ich erneut zu spät aufgebrochen. Ich hatte dir versprochen, das nächste Mal früher loszugehen. Ich hatte dir Zeit versprochen. Zeit zum Schnüffeln und Zeit mit mir, gemeinsame Zeit. Aber nein, ich musste noch… und ich wollte noch… und es hat noch…, der eine Anruf, der passt noch. Es passt nicht, zumindest nicht so, dass ich entspannt mit dir umgehen kann und ich werde wütend, eigentlich auf mich, aber wer es abbekommt, das bist du.

Dein Mensch



30.08.2018


Tja, lieber Mensch,

was soll ich dir dazu sagen?

Ich will keine Angst vor dir haben. Ich find das selbst nervig, aber guck dich doch mal an. Wenn andere Lebewesen gefährlich werden könnten, oder auch Gegenstände, gehe ich aus dem Weg. Das ist eine Taktik, die mich dahin gebracht hat, wo ich jetzt bin. Ich weiß nicht, warum ich das ändern sollte. Wenn du nicht willst, dass ich den Raum verlasse, in dem du gerade bist, sei anders und wir können wieder miteinander. Wenn du aber so bist, werde ich weiter gehen. Sehe ich auch kein Problem bei. Wenn du damit nicht klarkommst, ätzend zu mir zu sein, sei netter. Wenn du das nicht kannst, halte ich mich fern von dir.

Ich weiß nicht, wie ich früher war. Wenn du sagst ‚anders‘, dann kann das sein. Ich find es ok, so wie ich jetzt bin. Vermutlich fand ich mich auch früher ok. Weiß ich aber nicht mehr.

Wenn du sagst, du streichelst mich, weil mensch das tut, dann tu es nicht. Das merke ich, das nervt mich.

Wir kommen doch gut miteinander aus. Du bist und bleibst mein Mensch. Die Sitter_innen sind ok. Da bin ich gern, aber du bist mein Mensch. Also stress dich mal nicht so. Dann haut das hin.

Latent genervte Grüße

dein Trans*katzen-Hundetier

Kim Ley

Kim Ley schreibt, lebt und boxt

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