Menschen, Tunnel und das den Untergrund-Wartehallen
 innewohnende künstliche Licht; von überall herabhängende triefend-
nasse Mäntel, Schutzhäute, Schirme.
Ein Übersetzungsbüro, ein Parkettstudio, Bodenbeläge zu 
Sonderpreisen, Zahnbeläge, Praxen; Haxen, eine Gaststube ohne 
Namen.
Die Arbeitsagentur, eine Schaltstelle, ein außerplanmäßiger Stopp, 
peitschender Regen an den Scheiben, abperlende Tropfen, Schlieren, 
Fenstermalereien auf Glas.
Litfaßsäulen mit Plakaten, überall Aufrufe zur Buchung von Urlaub, 
SONNE! ENDLICH! und dazwischen immer wieder die Birken vor 
ihren Häusern, auf ihren steinigen Böden.
Die Endhaltestellen und ihr Weg hinaus in die Stadt, von der 
Menschenflut hinein in die Peripherie, hinein ins Nirgendwo; dahin, 
wo die Wege noch nicht vorgezeichnet sind.
Schrebergärten, Wälder, Brombeerranken; „Träumefänger“, so der 
Mann in schwarz gekleidet zu seinem Gegenüber murmelnd und beim 
Hinausgehen an diesen gerichtet, anstatt eines Abschiedsgrußes: „ich 
gehe immer geradeaus“.
*
Der Stadtrand, die Asphaltwüste; Sozialdienste, Backsteinbauten, 
Baustellen, folge den Gruben, den Aushebungen, den Löchern; schau, 
wie die Kräne alles in die Höhe ziehen.
Menschen in Neongelb, Männer an Nähmaschinen, sitzend hinter nach 
unten schnellenden Nadeln, ein Lächeln hinein, hinaus in die 
Gehsteigwüste, takatakatak, takatakatak.
Die Wiederherstellung von Oberflächenbekleidungsstücken, WIR 
GARANTIEREN QUALITÄT, PÜNKTLICHKEIT UND 
SCHNELLE BEARBEITUNG.
Der Mensch und sein Markt und das schöne Grün des Pak Choi, 
danke, die Nächste bitte.
Der ums Kirchengemäuer fegende Wind und das große sich 
aufbäumende Jesuskreuz. Ein wenig weiter die Straße hinunter ein 
Geschäft mit zugezogenen neumodischen Jalousien, FORM UND 
RAUM.
Ein Steingarten, ein Teich, Schilf. Eine künstlich angelegte Stadtoase 
und das Jetzt-Auftauchen eines Entenpaars. Sich hin und 
herbewegende Köpfe und sich öffnende und immer wieder 
schließende Schnäbel, STADTTEICHE FÜR MEHR 
LEBENSQUALITÄT.
Ein Hutgeschäft und das Knistern der roten und blauen Gore-Tex-
Regenjacken der Vorbeiziehenden. Die Zufalls-Begegnung einer Frau 
mit einer Bekannten und der kurze Austausch über die Arbeit, die 
Kinder, den geplanten Sommerurlaub.
Eine Bäckerei an der Endhaltestelle und das Lächeln der Verkäuferin 
mit grellpink geschminkten Lippen. Dazu ein frischer, dunkelschwarz 
aufgebrühter Filterkaffee in einer Tasse mit lila-gelben Blumen; „das 
macht ein Euro neunzig“.
Der unbekannte Mann und sein Bekenntnis, „Disziplin und Ordnung, 
darauf habe ich immer Wert gelegt; ich bin hart, aber herzlich“. Die 
Scheidung, die Kinder, jetzt die Enkel. Die Leere des Raums; „es gab 
eine Zeit, da habe ich nur mit dem Fernseher gesprochen“.
Die einfahrende Bahn an der Haltestelle und das Schild-Flimmerlicht 
der Apotheke, rot auf weiß: Temperatur, 
Zeit, Datum; Temperatur, Zeit, Datum; rhythmisiere dich.
Die auffallende Ordnung auf den Gehsteigen, links die Radfahrer, 
rechts die Fußgänger, ganz rechts die Hecke, blickdicht, geschnitten, 
die Blätter noch herbstbraun zerknittert.
*
Zurück in die Bahn, in die luftdichte Kapsel; zurück zum vanilligen 
Schweiß der jungen Mädchen, GFA, GESELLSCHAFT ZUR 
FÖRDERUNG DER ARBEITSAUFNAHME.
Verstädterung, Verknöcherung, Verwesung, die Rückkehr ins Zentrum, 
zurück in den Menschenwald ohne Jahreszeiten, immergrün, 
immerlaut.
Ein Kind, ein Schrei, ein Brillenmuttergesicht, den Körper ihrer 
Tochter von oben nach unten mit ihren Augen abtastend, „Schatz, 
hattest du heute Geige oder Flöte?“
Bodenverleggeschäfte und Frauen mit Patchworkröcken und bunten 
Hüten, Sonnenbrillen; Lippenstift-Touristinnnen und schließlich, 
letztendlich; der kleine, im Arm der Mutter ruhende Sohn.
(U72 von Heinrich-Heine-Allee nach Ratingen-Mitte * Endhaltestelle Ratingen-Mitte * von Ratingen-Mitte nach Heinrich-Heine-Allee, 18.2.2020)
