Würstchenparty

Von Alina

Es war eine Würstchenparty, wie ich das erwartet hatte. Siebzig Prozent Männer. Sie standen um den Grill, rauchten. Die Frauen waren zu Hause geblieben, weil sie Kinder hatten, jetzt, fünfzehn Jahre nach unserem Abitur, hatte man Kinder zu haben und durfte dafür zu Hause bleiben.
Ich nicht.
Also war ich gekommen und bereute es schon, bevor die Party überhaupt angefangen hatte. Setzte mich ans Feuer, nippte an meinem Bier, lauschte den Gesprächen, nahm nicht daran teil, lachte, wenn die anderen lachten, nur um nicht aufzufallen. Das war anstrengend, aber es führte kein Weg daran vorbei.
Irgendwann setzte sich Felix zu mir.
Ich hatte Felix seit genau fünfzehn Jahren nicht gesehen, seit unserer Abi-Verabschiedung, und doch wusste ich alles über ihn, alles, was er seither getan hatte, in welche Länder er geflogen, mit welchen Frauen er geschlafen, welches Essen er gegessen, welche Jobs er gemacht, mit welchen Opfern er mitgelitten, welche Partys er gefeiert hatte. Das wusste ich alles, von Instagram und Facebook. Warum also sollte ich mich mit ihm unterhalten, dachte ich mir, doch Felix schien davon nichts zu bemerken.
Und es gab schlimmere Gesprächspartner, musste ich zugeben, sein Titelbild hieß „Fuck Racism, Sexism, Homophobia“. Er arbeitete bei einer Gewerkschaft. Vielleicht sollte ich ihm eine Chance geben.
„Lizzy“, sagte er.
„Felix“, sagte ich.
„Was treibst du, altes Haus?“
„Nichts Besonderes.“
„In Frankfurt bist du jetzt?“
„Ja.“
„Im sozialen Bereich?“
„Ja.“
„Wolltest du nicht Journalistin werden? Du hast doch mal geschrieben?“ Er rieb sich die Nase.
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich schreibe auch noch. Aber nicht für die Zeitung.“
„Sondern?“
„Auf einem Blog.“
„Ah“, sagte Felix und zog die Augenbrauen in die Stirn. „Auf einem Blog also. Das ist gar nicht so meins, so persönliche Geschichten.“
„Naja, um ehrlich zu sein, sind das…“
„Aber das hat schon auch was für sich, grade, dass Frauen jetzt schreiben. Über Persönliches. Das kann schon interessant sein, für Männer. Da gewinnt man ganz neue Einblicke.“
„Ich schreibe schon auch Persönliches, aber eher in die politische Richtung.“
„Also so Feministisches?“, fragte Felix, ohne zu fragen. „Ich bin da ein großer Fan von, und auch davon, dass Frauen jetzt endlich mal Tacheles reden. Vor Kurzem hab ich gelesen, wie das mit der weiblichen Ejakulation funktioniert, das war schon richtig interessant, wirklich, weil wir Männer da ja auch einiges lernen können. Jetzt, wo sich die Frauen endlich trauen, darüber zu sprechen. Also das ist ja in gewisser Weise eine sexuelle Emanzipation, nicht wahr? Und von der profitieren auch wir Männer. Ist ja geiler, wenn’s beiden Spaß macht, wenn man weiß, welche Knöpfe man drücken muss.“
„Hast recht“, sagte ich, fand das aber nicht.
„Super, find ich das, dass du darüber schreibst.“
„Danke.“
„Du warst auch damals schon ein bisschen versaut, weißt du das noch?“
Er spielte auf den Blowjob im Auto an, mit sechzehn.
„Ach, hör auf“, sagte ich. „Muss das sein?“
„Stell dich nicht an. Ist doch hundert Jahre her“, lachte er.
„Ja“, sagte ich. „Hundert Jahre.“
„Ich grill mir jetzt noch ein Würstchen“, sagte Felix, stand auf und ging.

Alina

1988 in Erlenbach am Main geboren, lebt in Offenbach und unterrichtet Deutsch als Zweitsprache an einer Förderschule. Sie schreibt Kurzgeschichten und bastelt an ihrem ersten Roman.

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