Dönertaschen

Tobias war schon da. Er saß an einem der Resopaltische am Fenster in der Nähe der Heizung.
„Hallo“, sagte ich.
„Du Schweinehund“, sagte er.
„Das hättest du auch anders formulieren können“, sagte ich.
Ich zog meine Jacke aus und setzte mich ihm gegenüber auf den Stuhl.
Er gab mir eine Ohrfeige. Meine Wange brannte ein wenig, aber es war nicht schlimm. Ich rückte meinen Stuhl ein Stück näher an den Tisch heran.
„Du hast mit Franziska rumgeknutscht“, sagte er.
„Das ist schon möglich“, sagte ich. „Wie geht’s dir denn?“
Tobias verdrehte die Augen. „Du machst mich wahnsinnig.“ Er war mein Bruder. Wir hatten uns zwölf Jahre lang ein Kinderzimmer geteilt.
„Ich hab heute Morgen ein paar Sachen eingepflanzt“, sagte ich.
Tobias runzelte die Stirn. „Im Schnee?“
„Nein, auf der Fensterbank. Eigentlich habe ich nur ein paar Töpfe im Supermarkt gekauft. Schnittlauch, Petersilie, Basilikum.“
„Und jetzt ist die Fensterbank schön grün, hm?“, brummte Tobias.
Der Wirt kam zu uns herüber. Es war halb eins mittags, und wir waren die einzigen Gäste.
„Alles in Ordnung?“, fragte er.
„Wir sind Brüder“, sagte ich.
„Ach so.“
Ich betrachtete die Speisekarte über der Theke. „Gibt es eine Empfehlung?“, fragte ich.
„Für den Hunger, den ganz raschen, empfehle ich die Dönertaschen“, sagte der Wirt.
Wir mussten lachen. Das war wirklich ein bescheuerter Spruch.
„Ich nehm so eine Dönertasche“, sagte ich. „Und eine Linsensuppe.“
„Für mich dasselbe“, sagte Tobias. „Und eine große Cola mit Zitronensaft.“
„Kommt sofort“, sagte der Wirt. Er ging zurück hinter die Theke.
„Ich zahle“, sagte ich.
„So einfach kommst du mir nicht davon“, sagte Tobias. Er trat mir unter dem Tisch gegen das Schienbein. Es war ein ziemlich fester Tritt.
„Ich hab ja auch nur gesagt, dass ich zahle“, sagte ich.
Dann sprachen wir über das vergangene Wochenende.

Daniel Klaus

Daniel Klaus, geboren 1972 in Wiesbaden. Lebt in Berlin. Walter-Serner-Preisträger, Literaturförderpreis Ruhrgebiet, Alfred-Döblin-Stipendium. Kolumnen für die taz, derFreitag und die Stuttgarter Zeitung. Zahlreiche Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften, Anthologien und im Radio.

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