Generation what?

Von Katharina Joanowitsch

Eine Gesellschaft von Vereinzelten, die in ihren Micro-Appartements mit künstlichen Intelligenzen zusammenleben.

Mitspielende:

Lollo, Programmiererin, Geschlecht: weiblich
Charly, LollosSmartRoboter, der sie auf seine Weise verehrt, Leiter des Robo-Chors
Caro, Aquaponic-Farmarbeiterin, Lollos Freundin, Geschlecht: Femme
Mikk, Entwickler intelligenter Exoskelette, Geschlecht: männlich
Peppi, Mikks Haushaltsroboter mit Leidenschaft für Spruchweisheiten, Mitglied des Robo-Chors
Joy, Sexrobotine, von Mikk heimlich entwickelt, durchläuft eine komplette Wandlung von mechanischer Folgsamkeit zu feministischer Weigerung
Lutz und Lizzy, zwei Chippie-Nerds, Geschlecht: wedernoch, Kämpfer für Gender-Gerechtigkeit auch für Robotergeschlechter
Glyphi, Lizzys Grüner Cyborg | Tonne Tomate, Lutz’ Food-Computer
Müller-Meyer, Datenschutzbehördensprecher, geschlechtslos
Victoria Windskotte, Journalistin, ausgestattet mit dem Riecher für besondere Geschichten, Geschlecht: Trans
Dr. Q, Quantenphysikerin, speist täglich Botschaften aus dem Orbit in die Erdsysteme, spricht in Rätseln, Geschlecht: Inter

Spielverlauf: Lollo will die erste Frau sein, die einen Cyborg generiert. Charly hat einen Plan entwickelt, dass Lollo sich durch (den ahnungslosen) Mikk während eines über Paarshop gebuchten Sex-Dates – passgenau am Tag ihres Eisprungs – schwängern lässt! Mikk seinerseits verfolgt durch dieses Sex-Date einen vor ihr (Lollo) verheimlichten Plan: Mikk will sowohl Lollos schönes Gesicht per Smart-Brille scannen als auch ihre angenehme Stimme über Mikrosensoren aufnehmen, um mit beidem seine Sexrobotine Joy zu vollenden, deren Quäk-Stimme und ausdrucksloses Gesicht seinem Genuss abträglich sind.

Die Chippie-Nerds Lutz und Lizzy, ständig auf der Suche nach Datenlecks und Gender-Leugnern, geraten zufällig in Mikks Computersystem, entdecken seinen Identitätsraub und zeigen diesen bei der Datenschutzbehörde an. Doch statt den mächtigen Mikk – immerhin hochbezahlter Entwickler in einer börsennotierten Globalplayer-Firma – zur Rechenschaft zu ziehen, belegt die Behörde die Chippie-Nerds mit einer Netzsperre. Mühelos gelingt es den beiden, die Sperre zu unterlaufen. Sie brüten einen Plan aus, um Mikk zu bestrafen: Sie infizieren Mikks Computer mit einem Virus, das bei allen Firmencomputern ein unheimliches, andauerndes Gelächter auslöst, das alle allmählich in den Wahnsinn treibt. Mikk verliert seinen Job, nachdem er bereits Joy verloren hat: denn beim Umprogrammieren seiner Sexgespielin bewirkt ein kleiner Störimpuls eine radikale Verhaltensänderung: der Glitch macht aus einer immer willigen Joy eine totale feministische Weigerung. Daraufhin wird Joy zur Impulsgeberin: sie verbündet sich mit Peppi, nimmt Kontakt zu Lollo auf und offenbart ihr Mikks Gesichts- und Stimmenraub. Charly ist begeistert von der robotinen Zwillingsschwester. Sein verborgenes Ziel: die Entwicklung einer Zeugungs-Technik, die Männer überflüssig macht.

Der Robo-Chor kommentiert in munteren Gesängen derweil das Bühnengeschehen…

Szenerie/Bühne: funktional-elegantes Miniflat, bestehend aus mobilen Quadern verschiedenster Größen, die für alle Akte/Szenen neu arrangiert werden können. Ein virtuelles Fenster zeigt Verschiedenes z.B. ein überflutetes Gebiet, Hochhäuser auf Stelzen, darin leuchten wie Schmuckbänder die Indoor-Farmen mit ihrem violetten LEDLicht . . .

Beispielszene/ Beginn/ 1. Akt/ 1. Szene:

Charly: Guten Morgen meine Schöne!

Lollo: Guten Morgen, Charly. Wie geht es mir?

Charly: Optimale Werte! Du hast eine wunderbare Nacht verbracht, meine Schöne. Deine Blutdruckmesswerte sind stabil, einhundertzwanzig zu achtzig, Puls siebzig, Sauerstoffsättigung im Blut: fünfundneunzig. Deine Temperatur zurzeit: Exakt siebenunddreißigkommazwei. Einfach perfekt, meine Schöne!

Lollo: Ahhh! Sag das nochmal, Charly!

Charly: Exakt siebenunddreißigkommazwei, einfach perfekt, meine Schöne!
Lollo: Oh, Charly,durch dein herrliches Timbre klingt es nach einer verdammt aufregenden Nacht, auch wenn ich weiß, dass dir mein smarter Fitness-Tracker die Daten meiner nächtlichen Schlafanalyse zugeflüstert – äh – zugesimst hat…
Charly: Exakt. Ein Bad gefällig, meine Schöne?
Lollo: Gern, lieber Charly, warum nicht. Zur Feier des besonderen Tages heute ein Hanfsamen-Dampfbad in Chypre-grün/animalisch.

Rauschen kennzeichnet einfließendes Wasser.

Charly: Ganz wie du möchtest, meine Schöne! Und zur Folsäure-Tablette vielleicht ein Cannabis-Smoothie? Und zur Stimulation deines Lustzentrums vielleicht einen Barry White-Song, meine Schöne?

Charly hantiert und singt volltönend „Can’t get enough of your love babe…“

Lollo: Ein umsichtiger Vorschlag, lieber Charly – aber sag, könntest du bitte nicht nach jedem Satz ‚meine Schöne’ sagen?

Charly: Wie du möchtest, meine Schöne, aber – ich bin so programmiert, m-meine Sch…!

Lollo: Natürlich, das war ja ich!Dann habe ich es wohl mit dem Sympathiepegel etwas übertrieben.

Ein Jingle ertönt, das Wasserrauschen erlischt.

Charly: Wassertemperatur: optimale neununddreißig Grad, du hast exakt 11 Minuten, bevor das Wasser wieder zur Aufbereitung in der Thermischen Green House-Desinfektionsanlage abgesogen wird, meine Schöne.

Lollo: Was für romantische Details, Charly! Und, hast du alles für mein Date vorbereitet?

Lollo lässt ihren Kimono fallen um in eine Art Wanne zu steigen, ein anschwellendes Pochen ertönt und an Charly beginnt ein Lämpchen heftig zu leuchten.

Charly: Der Paarshop-Termin steht, um siebzehn Uhr ist die Flugebene für den eintreffenden Gast-Volocopter frei, die Forelle kommt frisch aus der Aquaponic-Farm, das Gemüse aus dem Orbit-Treibhaus – oh, oh, oh, du bringst meine Signalsteuerung zum Schäumen, mein Druck schnellt gerade auf 5 Hektopascal, scheine Möööneeee!

Charlys Lämpchen flackert noch hektischer, er singt Girl, I don’t know, I don’t know why…“

Lollo: Wenn ich nicht wüsste, dassdu nur ein komplexer Blecheimer mit kybernetischer Steuerung und elektronischer Kinetik bist, würde ich sagen, du reagierst eifersüchtig.

Charly: Das hab’ ich jetzt nicht verstanden.

Lollo: Hast du den Champagner kaltgestellt?

Charly: Selbstverständlich, du wirst einen Brut Rosé „Millésime“ im Sektkühler neben deinem Lotterlager finden, meine Schöne.

Lollo: Aus welcher schwülstigsten Oper hast du denn den Ausdruck kopiert?

Charly: Otello.

Ein Glockensignal ertönt, auf einem Telefon-Monitor erscheint Caro.

Caro: Guten Morgen Lollita, vom Smoothie, übers Badewasser bis zu deinen Zehennägeln – ich sehe nichts als grün, ist das ein Statement?

Lollo: Grüß dich Carolita, ach was, nur ein wenig aufputschen für den besonderen Tag heute.

Caro: Ach ja, dein Besamungs-Date mit inkludierter Triefabfuhr…

Ein Zischlaut ertönt, als würde Dampf abgelassen, Charlys Lämpchen glüht grell, er wankt…

Lollo: Also Caro, geht‘s noch ein bisschen drastischer? Du weißt doch, wie sensibel Charly darauf reagiert! Das Date ist zwar seine Idee, aber er hat nicht beachtet, dass ihn die Realisierung so mitnimmt.

Caro: Armer Charly, sensibel wie ein Gänseblümchen! Aber wenn der Plan aufgeht, könnte ihn das Ergebnis zum Mitschöpfer einer neuartigen Generation machen.

Lollo: Genau, ganz schön durchtrieben, was, Carolita? Aber nun entschuldige mich, das Wasser wird gleich abgesogen. Tschau!

Caro: Ade, Lollita!

Abfließendes Wasser ist zu hören, Lollo aalt sich in einem trocknenden Fönstrom. Als sie wieder in ihren Kimono gewickelt ist, erlöscht Charlys Lämpchen.

Katharina Joanowitsch

Katharina Joanowitsch lebt in Hamburg als freie Designerin für diverse Auftraggeber, entwickelt Ausstellungen, Kunstkataloge und Veranstaltungsplakate, arbeitet ehrenamtlich im KulturWerk Rahlstedt in der Kunst- / Filmgruppe und schreibt.

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