Ein lautes Grollen riss Meta mitten in der Nacht aus dem Schlaf. Obwohl sie Angst
vor dem heran nahenden Donner und den Lichtblitzen hatte, war sie ebenso vom
Schauspiel am Himmel fasziniert.
Gerade hatte sie das Fenster weit geöffnet, da klatschten kurz darauf grosse
Tropfen auf den Vorplatz ihres Hauses. Dieser spezielle Geruch, wenn Regen auf den Asphalt prasselte stieg ihr in die Nase. Den erdigen Geruch, der daraus entstand, den mochte sie. Der Wind pfiff um das Haus herum, rüttelte erbarmungslos an den Bäumen und Sträuchern. Erst nur leicht dann wurde er immer stärker. Meta schloss rasch das Fenster, als der Sturm einsetzte. Es braute sich ein schweres Unwetter zusammen. Der Himmel verfärbte sich gelb schwarz und durch diese luftelektrischen Entladungen donnerte und blitzte es In ihrem Quartier. Dieser schnelle Wechsel von Hell auf Dunkel verlieh ihrem Garten etwas Gespenstiges, aber auch etwas Befreiendes. Meta zuckte zusammen als ihr der grelle Blitz ins Gesicht leuchtete.
Nach etwa dreissig Minuten verzog sich das Gewitter. Diese plötzliche Ruhe, diese unheimliche Stille liess sie einen Moment lang unbeweglich mitten im Zimmer stehen.
Gedanken über Leben und Tod, schossen ihr durch den Kopf.
Vorsichtig öffnete sie das Fenster. Es war ein trauriger Anblick. Arge Verwüstung
herrschte in ihrem Garten. Von einigen Sträuchern waren Zweige abgeknickt. Sie lenkte ihren Blick auf die Tanne vor ihrem Haus. Dieser Sturm hatte den Baum hart angepackt. Zwei Äste hingen tief herunter. Sie hielten sich wie Geschwister liebevoll verschränkt an den Armen, sie waren fest aneinander geschmiegt. Erinnerungen an die viel zu früh verstorbene Schwester und die gemeinsame Kindheit kamen in ihr
hoch. War es ein Zeichen, geliebte Menschen nie zu vergessen? Dieser Verlust bereitete ihr noch immer viel Kummer. Aufgewühlt legte sie sich ins Bett und versuchte zu schlafen. Als sie am Morgen erwachte, legte die Sonne ihre goldenen Strahlen in ihren Garten, tauchte ihn in sanftes Licht. Sie schaute auf die beiden ineinander verschlungenen Äste und spürte Dankbarkeit und Liebe. Sie hatte ihre Schwester um Jahrzehnte überlebt. Während sie zur Tanne schaute dachte sie an die Jahresringe, wenn ein Baum geschlagen wurde. Sie zog Bilanz. Nach der Scheidung fühlte sich wie auf einem abgesägten Ast.
Sie stand nun auf dem Abstellgleis.
Die Freunde wandten sich von ihr ab, nahmen ihr den Entscheid übel, man hält durch, riet man ihr. Zwanzig lange Jahre hatte sie mit sich gehadert, um ihre unglückliche Ehe zu beenden. Monatelang war sie unfähig Entscheidungen zu treffen. Eine tiefe Depression hatte sie komplett ausgebremst. Niemanden konnte sie sich anvertrauen.
Nach einigen Monaten schloss sie sich einem Kunstverein an und knüpfte neue Freundschaften.
Jetzt fühlte sie sich mit dem Leben und der Natur verbunden. Der Baum und sie hielten jeder Witterung stand, versteckt unter der Rinde unter ihrer Haut, rissen die Jahre Wunden, schlugen tiefe Kerben. Das ermutigte sie, sie mit anderen Menschen zu erweitern zu vergrössern. Dadurch entdeckte sie neue Gestaltungsmöglichkeiten. Sie erinnerte sich an eine lange Wanderung wo sie sich verlaufen hatte und ein still gelegtes Gleis entdeckte. Die Ränder waren überwuchert von Wiesenblumen und verliehen den Schienen Poesie, Dieser Anblick stimmte sie glücklich, machte Lust auf Traumreisen. Sie sang laut : “ Es fährt ein Zug nach Nirgendwo, ich lauf zu Fuss bin unendlich froh. Gottlob endete hier nicht ihre Lebensreise.“ Doch es gab auch Zeiten, da lief sie neben der Spur und verpasste den Zug der in die gewünschte Richtung fuhr. Zum Schluss bekam sie Kurve.
Heute macht sie sich wenig Sorgen, denkt nicht über das Alter nach. Sie sucht den Kontakt zu Menschen jeden Alters denn ein zufriedenes Miteinander leben hat einen hohen Stellenwert, den man mit Geld nicht kaufen kann.